Thüringen-Tour Teil 2. Richtigstellungen zur Kloßfrage
Thüringen-Tour Teil 2. Richtigstellungen zur Kloßfrage
Samstag, 28. November 2009
Über dem Hofeingang des Anwesens hängt eine Art Wappen, in dessen Mitte eine wohlgefüllte Schüssel mit Klößen prangt. In der Gaststube steht selbst gemachte Marmelade auf dem Tresen, im Stall am Hof rüsselt ein Schwein im Stroh. Ein bisschen einsam zurzeit, weil die dazugehörige Sau vor kurzem geschlachtet wurde.
Jetze gibd‘s schon de Klese in dear Dide -
Nur schmecke dun‘se wie Arsch und Friedrich.
Da lobsch mer schon de sealbergemachten,
och wenn‘s mehr Arweit es.
Un so wearnse gemacht, de Richdchen.
Gruße Kardoffeln, pro Klus zwä Schtick schaele,
mit‘n Klusreibeeisen reibe.
Die geriemne Masse in en Klussack schitte und auspresse
bis kä Wasser meahr kommt.
Die feardche Masse in eaner großen Schissel zerkrimle
un leicht salze.
In dear Zeit, wu de Kardoffeln in dear Presse sin,
wird ea ganz dinner Kardoffelbrei gekocht.
Nachert zu en gladden Brei verquerle.
In dear Zwischenzeit in en annern grußen Dobbe
gesalznes Wasser zum Kochen bringe.
Seammelreste in klenne Buffen schneide
un in en Dichel in guter Butter röste.
Jetze earscht gits Klesemachen rechtch lus:
Den heßen Kardoffelbrei über de ausgepreßten
Kardoffeln kibbe
un mit en grußen Querl verriere,
daß ne gummiartche Masse draus weard.
Jetz wär‘n mit‘n Pfoden schene runde Klese geformt.
In de Midde komm de Seammelbröseln nein.
Jeder schene geformte Klus kommt gleich nein
ins heße Wasser,
was awer nich koche darf.
Wenn dea Klese hoch komm
missen se noch 10 Minuten im heßen Wasser schwimme.
Bleim se länger im Dobbe, kochn‘se ab.
Nun könn dea Klese gegassen waere.
Nune ea guten Appedid, un überfreaßt Eich nich!
De Wirdsleide
Wandinschrift in der „Klusstube“ im Landgasthof Magersdorf
Familie Mehlhorn
07646 Magersdorf/Nr. 11
Tel.: 036424 / 22745
Studiokoch Andreas Goßler wurde anschließend zum Lehrling zurückgestuft und begann seine Karriere als Kloßmacher mit niedrigen Hilfsarbeiten. Unter Aufsicht von Frau Mehlhorn senior, Frau Mehlhorn junior und einer Köchin aus der Nachbarschaft durfte der Fernsehmann erst einmal Kartoffeln schälen. Dabei unterlief ihm auch noch ein kleiner Fauxpas - in der Moderation erlaubte er sich, von „Kartoffelklößen“ zu reden. Scharfe Zurechtweisung der Senior-Chefin: „Kartoffelklöße machen wir hier nicht! Das sind Thüringer Klöße!“.
Anschließend wurden die geschälten Kartoffeln (O-Ton Wirtin) „auseinandergezählt“. Ein Drittel landete, grob zerkleinert, in einem Topf und wurde weich gekocht. Die übrigen zwei Drittel kamen auf die Reibe.
Die Wirtsleute ersparten dem Fernsehkoch die Handarbeit mit dem „Klusreibeeisen“. Stattdessen wurde eine historische „Komet“-Küchenmaschine hervorgezaubert, die ein bemerkenswert feines Rieb lieferte. „Schabsch“ sagten die Mehlhorns dazu. Die geriebene Kartoffelmasse platschte in eine mit Wasser gefüllte Schüssel, in die man zuvor einen Schuss Essig gegeben hatte.
Dann wurden die rohen Kartoffeln in ein Leinensäckchen geschöpft, um kräftig ausgepresst zu werden. Ziel - die Masse „kriemelig“ zu bekommen, also möglichst trocken. Das austropfende, stärkereiche Wasser wurde übrigens weggeschüttet. Soviel zu meiner Überzeugung, die sich absetzende Stärke müsse der Masse wieder zugegeben werden. Nein - die pragmatischen Thüringer verwiesen darauf, dass man den Satz ja ohnehin erst waschen und trocknen müsse, und verwendeten ein paar Handvoll fertige Stärke aus dem Karton. Wie unromantisch. Frage Fernsehkoch: „Pressen Sie die Kartoffeln für die Gaststätte eigentlich auch mit der Hand aus?“ Antwort: „Nein, da nehmen wir die Trockenschleuder.“ In der Tat hat Familie Mehlhorn alle Exemplare der legendären DDR-Wäscheschleuder TS 66 (das war die mit dem aufblasbaren Gummiring als Unterlage) angekauft, derer sie habhaft werden konnte. Moderne Geräte taugen nichts, sagte man uns. Selbst ein Exemplar eines sonst für seine Robustheit gerühmten Fabrikats flog beim ersten Schleudergang mit geriebenen Kartoffeln auseinander.
In der Zwischenzeit hatte eine Kollegin bereits Weißbrotwürfel in Butter angebraten. Dann begann das Dreierteam Mehlhorn-Goßler-Mehlhorn mit dem Formen der Klöße. Hände in einem Wassertopf befeuchten und mit einer kühlenden Flüssigkeitsschicht versehen, in die heiße Kloßmasse greifen, Croutons hineindrücken und zur Kugel kneten. Es wurden etwa 25, eine für den Gaststättenbetrieb lächerliche Menge. Rein ins siedende Wasser (das nach Zugabe der Klöße nicht mehr aufwallen sollte), aufsteigen lassen und allerspätestens nach zehn Minuten herausheben. Glänzen müssen die Klöße, ein Zeichen für gut bindende Stärke, fast weiß müssen sie sein, sonst fallen sie in die Kategorie „Grüne Klöße“. Diese hier waren perfekt, nahtlos und kugelrund. Dazu Rouladen in echtem Schmorfond, Tütensaucen gibt es hier nicht. So muss das sein. Die Adresse dieser Insel der Glückseligkeit steht im Kasten weiter oben.
Studiokoch Andreas Goßler bei niedrigsten Küchenarbeiten.