Wer sein Produktionsbudget nach Gutdünken selbst festlegen darf, kann es mit der Wahrhaftigkeit bei historischen Szenen ziemlich weit treiben. Location, Kostüme, Requisiten, Maske - wenn genug im Klingelbeutel des Aufnahmeleiters ist, kann man lange
Wunschlisten abarbeiten und im Fundus mehrere Einkaufswagen mit Kerzenhaltern, Schalen, Krügen und anderem äußerlich authentischem Kram vollpacken. Ansonsten sollte man sich schulterzuckend damit abfinden, dass ein Mittelalter-Darsteller durch eine Renaissance-Kulisse stolpern muss. Wenn er dabei nicht gerade eine digitale Armbanduhr oder eine Kassenbrille trägt, kommt das schon ungefähr hin. Hier geht es schließlich nicht um einen Spielfilm, sondern um einen gewöhnlichen Magazinbeitrag für „Hauptsache gesund“.
Genauer, um eine kurze Darstellung der diagnostischen Methoden im Mittelalter. Ein bisschen Pulslehre, ein bisschen
Harnschau, ein bisschen
Aderlass. So ein Thema ist selbstverständlich ein Geschenk für einen Autoren. Zumal, wenn er Gelegenheit hat, nicht nur bei der
Zusammenstellung des Teams ein paar Wünsche zu äußern, sondern auch bei jenen Nebensachen, die das epochentypische Kolorit ausmachen sollten.
Letzten Juli drehten wir schon einmal auf Schloss
Trebsen an der Mulde, damals ging es um das legendäre Kaffee-Experiment eines schwedischen Königs. Dieses Mal ließ sich wieder die bewährte Mannschaft von Top Ten TV einspannen. Tilo Glawe kümmerte sich um den Drehort und die Ausstattung, Kameramann war erneut Matthias Müller. Die Beschaffung der nötigen Requisiten erwies sich diesmal allerdings als etwas aufwendiger. Das begann bei geeigneten Glasgefäßen für die Harnbeschau. So etwas nannte sich seinerzeit „Matula“ und war der natürlichen Form der Harnblase nachempfunden. Entsprechend geformte Labor-Rundkolben ließen sich auftreiben, allerdings musste man sich mühen, den eingeätzten Hersteller-Stempel bei den Aufnahmen aus der
Kamera zu drehen. Schwieriger wurde es, als es um die Aderlass-Ausrüstung ging, vor allem um das Messer, mit dem der „Venenschlager“ im Mittelalter die Ader öffnete. Solch eine „Fliete“ hatte die
Leipziger Medizinhistorische Sammlung zwar im Bestand, allerdings war das Messer gerade für eine Ausstellung entliehen worden. Im wundervollen Leipziger
Zeughaus (
hier noch mehr) fand sich jedoch ein Kunstschmied, der uns so eine Klinge fertigen konnte.
Gleich morgens, noch bei Sonne, die ersten Außeneinstellungen unter den Schlossmauern an der Mulde. Oswald Buss, Darsteller des Mittelalter-Mediziners, auf dem Weg übers Land, aufgeregt empfangen von einem Dienstboten (Marian Schulze), der den Arzt zu seinem erkrankten Herrn führen will. Ganz im Hintergrund eine Dorfkirche, vermutlich alles andere als mittelalterlich, aber immerhin dekorativ. Rechts im Bild eine locker belaubte Weide mit zahlreichen Kormoranen, von denen der eine oder andere hin und wieder über den Fluss flog. Ach ja, und ein Hubschrauber. Ganz weit weg, ganz leise und ganz schwarz - es hätte
gut ein segelnder Kormoran sein können. Kameramann wie Autor, beide äußerst heiter gestimmt, übersahen das Flugobjekt. Das Malheur stellte sich erst im Schnitt heraus und führte zu hysterischen Lachkrämpfen. Glücklicherweise war Cutter Ronald Grüner in der Lage, den störenden Helikopter binnen Minuten aus dem Himmel zu schminken.
Für den Aderlass stand ein knapper Liter Filmblut bereit. Maskenbildnerin Anna Dritsou fand einen Weg, den roten Sirup einigermaßen lebensecht über den Arm des Kranken rinnen zu lassen - sie füllte einen Schlauch mit dem Kunstblut, befestigte ihn am Arm des Darstellers und blies dann hinein. Ein bisschen zäh, aber dennoch schauderhaft realistisch tropfte die Flüssigkeit in die Auffangschale. Mit blutigen Zähnen verkündete Anna anschließend, das Filmblut schmecke nach Erdbeeren und Majoran. Womit dies ein für alle Mal geklärt wäre.
Für die gleiche Sendung - Thema „Laborwerte verstehen“ - entstand noch ein zweiter Beitrag. Wir wollten illustrieren, wie man einen Laborbefund richtig liest und was einzelne Blutwerte für eine Bedeutung besitzen. Das Ganze verpackten wir in die Geschichte
eines Privatdetektivs, der sich im Auftrag eines verzweifelten Patienten auf die Suche nach Erklärungen für Kürzel wie
ALAT/ASAT oder CRP begibt. Die Eingangsszene sollte in einem möglichst klischeehaften Detektivbüro spielen, wie es derzeit jeder mit der Werbung einer größeren Augenoptiker-Kette assoziiert. Zufällig fand unser Aufnahmeleiter im
Trebsener Bergezentrum genau das Richtige, nur fünf Fahrminuten entfernt vom Schloss. In einem der Bürozimmer der früheren Papierfabrik gab es einen mit Glas umkleideten Einbau, eine Art Extra-Stube für den Prokuristen, entstanden irgendwann in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Wir rüsteten das Mobiliar noch mit einem funktionsuntüchtigen Ventilator, einer rostigen Schreibmaschine und einem alten Bakelit-Telefon auf. Dann konnte Privatdetektiv Hartmann hinter dem Schreibtisch Platz nehmen.
Am Abend zuvor hatten wir für die andere Hälfte des Beitrags im Leipziger
Institut für Laboratoriumsmedizin gedreht. Die Mitarbeiter waren so freundlich, uns zu nächtlicher Stunde ein komplettes
Labor zu überlassen. Hier sollte Detektiv Hartmann in Handbüchern und Computern nach der Erklärung bestimmter Blutwerte suchen, immer wieder gestört von einer Putzfrau und einem durch den Flur hastenden Laboranten (der Autor im Kittel). Beim Dialog am Analyse-Automaten kam dann auch endlich einmal zur Sprache, was denn dieses komische Hämatokrit-Dings ist. Jan Ullrich wirds wissen.
Gesendet wird übrigens am Donnerstag, den 22. Oktober, um 21:00 Uhr bei „Hauptsache gesund“ im MDR-Fernsehen. Wer jemanden kennt, der jemanden kennt, der so einen Quoten-Messkasten auf dem Medien-Möbel stehen hat, möge den Betreffenden mal vom Termin unterrichten lassen. Wir freuen uns über jedes Zehntel.