Cucurbita
Cucurbita
Freitag, 19. September 2008
Bitte alle mal die Hand heben, die gern Kürbis essen. Aha.
Halt. Wir schieben zunächst eine Minute eindringlicher Selbsterkundung ein und stellen die Frage dann nochmals.
Also, wer da draußen würde aus tiefsten Herzen „Ich!“ jauchzen, wenn wir all jene aufriefen, die wirklich gern Kürbis essen? Die dem nahenden Wochenende in zitternder Vorfreude entgegensehen, weil es am Sonntag doch keinen Schmorbraten gibt, sondern Kürbis?
Hallo?
Gut. Wir kommen der Sache also näher.
Grundsätzlich scheinen Kürbisse optisch attraktiver zu sein als kulinarisch. Wer Mitte September vor einem typischen süddeutschen Kürbishof steht und über die Auslagen mit 20, 30 Sorten blickt, der zieht sogleich in Trance das Portemonnaie. Waldgrün (Muskatkürbis), hellgelb (Butternuss) oder satt orange wie eine asiatische Mönchskutte (Hokkaido) - eine gemischte Kiste Kürbisse ist bunt wie ein van-Gogh-Gemälde. Und erst die Formen - ein Schwanenhals beim Kalebassen-Kürbis, ein Turban, eine Birne, eine Fliegende Untertasse beim Patisson oder einfach nur eine monströs große Kugel beim gemeinen Gartenkürbis, dem klassischen „Gelben Zentner“.
Wenn die Ware endlich zuhause in der Küche liegt, beginnt die große Ratlosigkeit. Aus der zu entrinnen es offenbar nur zwei Wege gibt - entweder wird die Panzerbeere (das ist botanisch so korrekt) süßsauer eingelegt oder zu Suppe zerkocht. Im schlimmsten annehmbaren Szenario aber rät die beste Freundin zur hier schon erwähnten Kürbis-Möhren-Ingwer-Konfitüre.
Als Kind habe ich hin und wieder den mit Nelken und Zimtstangen eingesäuerten Gartenkürbis meiner Eltern probiert. Vom Geschmack blieb dabei wenig in Erinnerung, nur vom leichten Würgereiz, der sich nach dem Verschlucken einstellte und der wohl weniger vom Kürbis selbst kam als vom Essig, mit dem die Gemüsewürfel durchtränkt waren.
Das Problem mit fast jeglicher Kürbissorte ist nämlich, dass sie, bis auf eine etwas seifige Grundnote, vergleichsweise wenig Eigengeschmack mitbringt. Das löst die Versuchung aus, dem mit forsch eingesetzten Gewürzen oder durch eine Kombination mit anderen, aromatischeren Gemüsesorten abzuhelfen. Beispiel Kürbissuppe - hier scheint es eine zwingende Verpflichtung zu geben, den Kürbis von reichlich Möhren begleiten zu lassen, ihn mit Orangensaft zuzudecken und schließlich das Ganze mit einer impertinenten Ingwer-Note zu überkronen. Hinterher kommt noch ein Fässchen Sahne in den Topf. Womit sich die Frage stellt - wenn so eine Suppe nicht mehr nach ihrer Grundzutat schmeckt, warum sollte man diese Zutat dann überhaupt verwenden?
Es geht ja auch sanfter. Eine Kürbis-Creme-Suppe kann nach sich selbst schmecken, wenn man mit Gewürzen und anderen Gemüsen spart. Einige zuvor eingeweichte und zu Würfeln geschnittene Backpflaumen höchstens, damit Zähne und Zunge etwas zu tun haben.
Auch ein Kürbis-Risotto macht Spaß. Dazu eignen sich Hokkaido oder Butternuss-Kürbis, die man zu kleinen Würfeln schneidet und vorab in einer Mischung aus Butter und Olivenöl anbrät, bis die Kanten rund werden. In einer tiefen Pfanne oder, besser noch, einem flachen Topf werden dann die klassischen Risotto-Zutaten angedünstet (ebenfalls in der Butter-Olivenöl-Mischung) - fein gewiegter Knoblauch, Schalotte, Staudensellerie, Möhre. Dann kommt Arborio- oder Carnaroli-Reis dazu und wird zunächst trocken mitgerührt, damit sich die Körner mit dem Fett und dem Gemüsearoma vollsaugen können. Ablöschen mit Weißwein, die Kürbiswürfel dazu. Immer weiter rühren. Wenn die Flüssigkeit aufgenommen ist, eine Kelle kochenden Kalbsfond dazu. Rühren. Wieder Kalbsfond. Das geht zwanzig Minuten so. Risotto kochen ist Zwangsarbeit am Herd, den man zwischendurch eigentlich nicht verlassen darf. Der fertige Risotto sollte noch ein wenig fließen und nicht allzu sehr kleben. Alfred Biolek sprach immer von der wünschenswerten Konsistenz als „all‘onda“ - wenn der Teller etwas gekippt wird, bilden sich Wellen (la onda - die Welle) im Reis. Mehr Rezepte übrigens hier. Der Kürbisrisotto wird mit etwas frischer Petersilie gewürzt. Am Tisch kann man noch ein wenig geriebenen Parmesan applizieren. Aber nicht zu viel.
Angebratene Kürbiswürfel eignen sich außerdem für die Füllung eines gerollten Crepes. Oder, zusammen mit Apfelstücken, für den Einsatz in der Bauchhöhle eines Backhuhns. In dieser Form begegne ich dem Kürbis in der Küche gern. Als Sonntagsbraten ist mir die geschmorte Rinderhüfte dann aber doch lieber. Nichts spricht natürlich dagegen, sie von Kürbisgemüse begleiten zu lassen. Aber mit Kürbiskuchen, Konfitüre oder ähnlichen Verirrungen - in den Harry-Potter-Büchern werden die Festmahle ja immer gern von Kürbissaft begleitet - lasst mich doch bitte in Ruhe, ja?
Smashing pumpkin. Lieblingszitat aus den Asterix-Comics ist übrigens der Ausruf jenes schwarzen Piraten, der immer im Ausguck sitzt, wenn sein Schiff von den Galliern versenkt wird (und der kein „r“ sprechen kann): „Ich habe einen Kü‘bis an die ‘übe gek‘iegt!“