Wild
Wild
Mittwoch, 14. Mai 2008
Eine selten erwogene Möglichkeit, mit Unkraut fertig zu werden, ist die, es einfach aufzuessen. Sicherlich wird man mit dem Abweiden größerer Flächen Probleme haben. Doch genauer besehen, gibt es erstaunlich viele Wildkräuter, die zum Verzehr geeignet sind. Man muss dabei nicht unbedingt so weit gehen wie Jean-Marie Dumaine vom Restaurant „Vieux Sinzig“, vor dessen Kochgeschirr nicht einmal der Japanische Knöterich sicher ist. Doch wer als Gärtner schon einmal dem wuchernden Giersch Rache geschworen hat, der findet vielleicht Trost in dem Wissen, dass man das verhasste Grünzeug notfalls in Grund und Boden blanchieren kann. Wenn man so will, ist das die Umkehrung jener Strategie, mit der Slow Food die Erhaltung historischer Nutztierarten vorantreibt. Statt „Erhaltung durch Aufessen“ geht es beim Unkraut eben um dessen Vernichtung.
Der eben erwähnte Dumaine jedenfalls hat 2005 ein wundervolles Kochbuch mit dem Titel „Meine Wildpflanzenküche“ veröffentlicht und dieses Jahr mit „Kochen mit Wildpflanzen“ noch einmal nachgelegt. Wer durch die Seiten blättert, kommt zunächst aus dem Kopfschütteln nicht heraus. Das kann man essen? Bärenklaufrüchte? Pappelknospen? Scharbockskrautwurzel? Doch Dumaine hat sich der Sachkenntnis zweier Botanik-Experten von der Uni Bonn versichert, die ihm offenbar garantiert haben, dass die verwendeten Pflanzenteile zumindest ungiftig sind. Schließlich hat das eine oder andere Gewächs Mittel und Wege gefunden, sich gegen das Verspeistwerden zu wehren.
Dann wiederum gibt es Pflanzen, deren Essbarkeit erst entdeckt werden musste. Dieser Kategorie entsprechen einige in Dumaines Büchern. Den schon besprochenen Japan-Knöterich adelt er mit dem Titel „Wildrhabarber“ und füllt ihn mit Mandelteig. Nun mal langsam, sage ich da und halte mich lieber an das, was ich einigermaßen kenne. Den Sauerampfer, zum Beispiel.
Das Knöterichgewächs ist leicht zu finden. Die vorn oft eher runde, am Stängelansatz dann gepfeilte Blattform ist typisch genug, und wo bei der Bestimmung noch Zweifel bleiben, kann man kosten. Es schmeckt, wenig überraschend, fein säuerlich. Beim Sammeln darf man wählerisch sein. Sattgrüne, unbeschädigte Blätter ohne Löcher und rostrote Flecken werden gepflückt. Wenn aus dem Ampfer Salat werden soll, eignen sich die ganz jungen Blätter besser, die älteren werden zäh und faserig. Für eine Suppe ist dieser Makel egal, da wird ohnehin püriert. Rezepte dafür gibt es hier und hier. Abstand nehmen sollte man nebenbei gesagt davon, den blanchierten Ampfer pur zu Püree zu verarbeiten - das Ergebnis erinnert ein wenig zu sehr an Kuhdung.
Weitere Wildkräuterrezepte, zum Sauerampfer, aber auch zu Giersch oder Vogelmiere, finden sich übrigens hier.
Die Mandelblätter, die laut Rezept das Dessert krönen sollen, habe ich schnöde weggelassen und mich auf das Wesentliche konzentriert. Beim Ziegenquark stellt sich natürlich zwingend die Beschaffungsfrage. So etwas gibt es mitunter in wirklich gut sortierten Bioläden, auf besseren Wochenmärkten oder direkt auf den Höfen der Erzeuger (z. B. hier, gezielt suchen kann man auch bei hofdirekt.de). Ich bin nach einigen Laufereien schließlich auf dem samstäglichen Kollwitz-Wochenmarkt in Prenzlauer Berg fündig geworden, wo der Ziegenhof Möbus aus Birkholz (leider ohne Website) einen Stand hat. Auf dem gleichen Markt bekommt man in der Saison übrigens auch Sauerampfer und die benötigten Erdbeeren sowieso.
Zacherls Rezept schien mit allerdings ein bisschen sehr zuckerlastig. Ich habe mich also mit der Hälfte des Puderzuckers begnügt und auch die Erdbeeren - bis auf den Vanillezucker in der Marinade - nicht weiter gesüßt. Das war offenbar eine gute Idee, wie sich herausstellte.
„An einem Bahndamm / da steht ein Sauerampfer / vorbei fährt Zug um Zug. / Aber niemals ein Dampfer / ach du armer / Sauerampfer / aber niemals ein Dampfer / ach du armer / Sauerampfer.“ (Ringelnatz? Arthur Schramm? Heinz Ehrhardt?)