Es fällt nicht leicht, sich daran zu gewöhnen, dass die Brennnessel nach der neuen deutschen Rechtschreibung nunmehr mit drei „n“ geschrieben wird. Man ist jedes Mal versucht, die Buchstaben nachzuzählen. Bei kleineren Schriftgraden entsteht dann mitunter ein gewisses Flimmern vor den Augen. In jedem Fall ist die
Nessel ein Respekt gebietendes Kraut. Wer sich jemals näher mit der Konstruktion der Brennhaare beschäftigt hat, bei der sich ein verblüffend einfacher Grundaufbau mit äußerster Wirksamkeit paart, der muss vor dieser Pflanze den Hut ziehen. Evolution in Aktion. Immer wieder ist zu hören, man könne die Nessel gefahrlos berühren, wenn man sie nur fest genug anpacke oder beim Berühren die Brennhaare nach oben streiche.
Das klingt sehr interessant, nur ist mein Interesse an einem Selbstversuch nicht sonderlich ausgeprägt. Bei
Wikipedia wird sehr schön geschildert, was geschieht, wenn man barfuß durch frisch geschnittene Nesseln läuft. Warum auch immer das jemand tun sollte - gut, dass es Menschen gibt, die solchen Fragen für uns nachgehen.
Aber die Nesseln sind ja nicht nur ihrer Wehrhaftigkeit wegen faszinierend. Menschen, die nicht einfach nur essen, sondern sich ernähren, rühmen den hohen Vitamin-C-Gehalt der Pflanzen. Ein Spinat aus jungen Nesseltrieben schmeckt aber in der Tat ganz annehmbar. Und man verbrennt sich nicht einmal die Zunge. Auch beim Putzen besonders stark verschmutzter Fenster sollen die Nesseln helfen.
Vor fünf Jahren war ich für einen
Fernsehdreh einmal beim so genannten „Brennnesselpapst“ zu Besuch, in Schwarzenberg im Erzgebirge. Der Mann serviert in seiner Kneipe Gerichte mit Brennnessel und lässt auch Getränke mit Nessel-Anteil pressen. Er verkündete uns damals beim Interview, mit Hilfe der Pflanze könne er Alzheimer und sogar Krebs heilen. Solche O-Töne verwendet man dann nicht. Man muss seinen Gesprächspartner auch hin und wieder vor sich selbst schützen. Ich habe seither nichts vom „Papst“ gehört.
Heute habe ich ein paar frische Nesselspitzen vom Hof geholt - im Park unterlasse ich das lieber angesichts der umherstreifenden Hunde - um sie ins Brot zu backen. Natürlich verwendet der vorsichtige Mann vom Balkon Gummihandschuhe bei der Verarbeitung der Ernte. Aber nach dem Feinwiegen der Blattspitzen bleibt von der Brennwirkung ohnehin nicht mehr viel. Und nach dem Verbacken erst recht nicht. Interessante Gerüche entstehen bei der Verarbeitung - das hat etwas herb Krautiges wie Grasmähen an einem sonnigen Bachufer. Enttäuschend, was davon im fertigen Brot ankommt - der Sauerteig samt Brotwürze lässt die Nesseln nicht mehr zum Zuge kommen. Der nächste Versuch wird wohl eine Kombination mit Frischkäse sein. Falls das Kraut dann nicht schon unangenehm hoch ist.