Warten auf Miss Silvia
Warten auf Miss Silvia
Montag, 1. Februar 2010
Wenn die Lieferung der bestellten Espresso-Maschine auf sich warten lässt, kann man sich die Zeit bei YouTube vertreiben. Menschen, die sonst wenig zu tun haben, stellen dort Videos vom Espressobezug mit ihrer bevorzugten Maschine ein: hier, hier, hier, hier oder hier. Aufschlussreich auch die Tutorials (hier) oder die Lehrfilme zum korrekten Milchaufschäumen und zur Latte Art - der Kunst, die Crema-Schicht des Kaffees und den Milchschaum so zu marmorieren, dass im besten Fall ein Ornament, etwa ein Farnblatt, entsteht. Am liebsten ist mir dabei hier das Video eines Amerikaners, dessen Vorstellung eines guten Cappuccino sich ein wenig von der bisherigen Übereinkunft unterscheidet. Er bereitet seinen Kaffee in einem Bialetti-Kännchen, schäumt die Milch mit einem batteriebetriebenen Mini-Quirl im Kochtopf und streut zum Schluss Kakao-Staub durch eine Plaste-Schablone auf das Getränk. Knapp daneben, mein Lieber.
Dabei kann ich mir eine hochnäsige Beurteilung solcher Provisorien derzeit gar nicht leisten. Wie im letzten Post beschrieben, versagt meine bisherige Geräteausstattung zusehends den Dienst. Vorletzte Woche habe ich bei einem Board-Händler - das ist ein Anbieter, der sich den Nutzern des Kaffee-Netzes besonders verpflichtet fühlt und ihnen mitunter bessere Konditionen einräumt - eine Rancilio Miss Silvia bestellt und noch am selben Abend den Preis überwiesen. Bis heute ist das Ding nicht da. Seltsame Dinge spielten sich ab. Erst tauchte das Geld auf dem Empfänger-Konto angeblich drei Tage nicht auf. Dann schien es plötzlich doch eingetroffen zu sein, jedenfalls kündigte der Verkäufer einen Versand noch für den selben Tag an. Anschließend geschah - nichts. Als ich ein paar Tage später auf eine Auskunft drängte, informierte mich der Mann, dass er die für mich bestimmte Maschine versehentlich an einen Kunden seines Ladengeschäftes vertickt und dies erst bemerkt hatte, als er den Versand vornehmen wollte. Nachschub treffe vielleicht oder vielleicht auch nicht in der kommenden Woche ein, es gebe da eine gewisse Knappheit, schließlich seien doch Werksferien in Italien, die meisten Kunden würden dafür Verständnis haben. Nun könne er entweder eine Rücküberweisung des Geldes vornehmen oder mir die Silvia irgendwann doch schicken, zusammen mit einem Viertelpfund Kaffee als Ausgleich für die Verzögerung. Ich war baff.
In meiner Küche war doch schon alles für Miss Silvia vorbereitet. Ich hatte bei Fausto das Probierpaket Bohnen bestellt. Den Kaffee-Fettlöser. Neue Metallkännchen für den Latte Macchiato. Eine Zeitschaltuhr, damit mich die Maschine nach dem Aufstehen schon vorgewärmt erwarten konnte. Ich hatte sogar die alte BRAUN-KMM30-Mühle durch Verstellen des Mahlwerks auf feinere Mahlgrade getunt, um bis zur Ankunft einer ernstzunehmenden neuen Mühle schon mal mit dem Barbetrieb beginnen zu können. Ich hatte einen Einer-Siebträger bestellt. Ich hatte vor allem Freunden und Kollegen euphorisch vom bevorstehenden neuen Espresso-Zeitalter vorgeschwärmt. Und jetzt kam diese Maschine nicht?
Ich schrieb dem Verkäufer missmutig, dass er mir das Geld rücküberweisen und dabei ja nicht jenen Teilbetrag vergessen sollte, den ich für einen Tamper und einen Reinigungspinsel vorgestreckt hatte. Dann sah ich mich erneut nach Angeboten für Miss Silvia um.
Einen Tag später kam wieder eine Mail vom ursprünglichen Verkäufer. Er habe nun bei einem befreundeten Händler doch noch eine Maschine aufgetrieben, die in den nächsten Tagen bei mir sein sollte. Das habe er sich im Interesse seines guten Rufes auch einiges kosten lassen. Letzteres berührte mich übrigens wenig. Nüchtern betrachtet, wäre eine neu georderte Maschine aber auch nicht früher geliefert als die in Aussicht gestellte. Also warte ich jetzt weiter. Und lasse mir auf YouTube vorführen, wie es aussieht, wenn man bei der Beschaffung und beim Betrieb einer Espressomaschine erfolgreicher war als ich.
Ihr verdammten Angeber.
Halbwegs trinkbarer Espresso.