Mein persönliches "Unwort des Jahres" (dazu
hier oder
hier) für 2010 habe ich bereits gefunden, bevor die Politik mit der Prägung von Euphemismen wie "Umweltprämie" überhaupt beginnen konnte. Es geht um den Begriff "die nuller Jahre", der bei mir zuverlässig einen Würgereiz verursacht. Wahrscheinlich wird diese gesunde Abwehrreaktion
durch die penetrante Wiederholung irgendwann einmal ermüden, aber derzeit funktioniert sie verzögerungslos. Die
englischsprachige Welt nennt die verstrichene Dekade - ist sie denn, rein mathematisch, mit Anbruch des Jahres 2010 überhaupt verstrichen? - offenbar "The Noughties". Was eleganter klingt, im Grunde aber das gleiche ist und nur zeigt, dass in den letzten zehn Jahren niemandem etwas Besseres eingefallen ist.
Was die BBC dazu schon 2002 schrieb, bleibt also gültig. Im übrigen reiße ich mich hier überhaupt nicht darum, selbst mit einem Vorschlag zu glänzen. Um zu wissen, dass ein Ei faul ist, muss ich nicht selbst eins legen können, oder? Also: Wann immer jemand „die nuller Jahre“ sagt, stirbt irgendwo auf der Welt ... (hier bitte die angemessene Anzahl von Exemplaren einer besonders bedrohten oder besonders liebenswerten Spezies einsetzen).
Ich will auch zurückhaltend sein, was Erwartungen und Wünsche an dieses seltsame Zwanzig-Zehn angeht. Sonst verbringe ich den Beginn des darauf folgenden Jahres schon wieder mit dem Wehklagen darüber, was alles nicht eingetreten ist. Und es ging ja schon mal nicht so ganz perfekt los. Nämlich: Der Hummer fehlte. Wie
hier bereits geschildert, gehört der andächtige Krustentierverzehr eigentlich zu einem geordneten Jahreswechsel. Das ließ sich aber dieses Mal nicht organisieren - wir verbrachten Silvester und Neujahr in einem Ferienhaus an der Ostsee. Dort mangelte es nicht nur an unverzichtbaren Küchengeräten (Messer aus Ferienhausküchen sollten problemlos im Handgepäck für eine Flugreise mitgeführt werden können, da sie keinerlei Gefahr für Leib und Leben darstellen - und schon gar nichts zu zerschneiden vermögen), auch der Hummer-Nachschub stockte.
Ersatzweise konnte aber ein Stück gut marmorierte Wildschweinschulter beschafft werden, das sich bei milden Ofentemperaturen - mangels Schmortopf in einer Auflaufform und unter Alufolie - in ein angemessenes Silvestermahl verwandelte. Ich gedenke still und zufrieden der Darßer Wildsau, die dafür ihr glückliches Leben lassen musste. Aber ein Hummer war sie eben doch nicht. Dieses Manko muss an einem der kommenden Wochenenden ausgeglichen werden.
Der Balkon, übrigens, ruht unter einer dicken Schneedecke. Das passt so. Das weiße Zeug sollte meine Pflanzen, vor allem den Quittenbaum mit den drum herum gesetzten Krokuszwiebeln, vor dem Zubiss des Frostes schützen. Dabei fällt mir ein, dass ich in den nächsten Wochen an die Veredlung der spröden Madame Lescovac gehen wollte. Was für Aussichten - ich führe also die Kopulation mit einer Befruchtersorte herbei, deren Zweige ich mir zuvor bei Nacht und Nebel besorgen muss. Gartenbau - wo Erotik und Abenteuer zu einem völlig neuen Ganzen verschmelzen.