Aprikosen
Aprikosen
Donnerstag, 13. August 2009
Der Aprikosenbaum im Hof wirft die letzten Früchte ab. Noch einmal auf die Leiter steigen mit sandigem Fruchtmatsch an den Sohlen, um ein, zwei Kilogramm der noch an den Ästen hängenden Marillen zu retten. Das Fallobst im Schatten des Baums zieht Wespen an und auch einige Schmetterlinge. Abends kümmert sich ein unglaublich laut schmatzender Igel um die Reste.
Die Früchte sind so weich, dass sie beim Auslegen auf dem Küchentisch fast in sich zusammensinken. Aus ihnen wird Chutney - mit Marmelade sind wir vorerst eingedeckt. Dafür werden die leuchtend orangefarbenen Kugeln zunächst gehäutet. Jede Frucht wird an der Spitze kreuzweise eingeschnitten. Dann werden die Aprikosen mit einem Schaumlöffel portionsweise in siedendes Wasser getaucht. Zehn bis fünfzehn Sekunden reichen bei so reifen Früchten. Abschrecken, Haut abziehen, entkernen, grob zerschneiden. Anderthalb Kilogramm werden abgewogen.
Jetzt kommen 250 Gramm Schalotten zum Einsatz. Die gewürfelten Zwiebeln müssen in einigen Esslöffeln Olivenöl sanft angedünstet werden. Wenn sie weich sind, können die zerschnittenen Aprikosen in den Topf rutschen. Dazu gesellen sich 400 Gramm Rohrzucker, 175 ml guter Weinessig, vier oder fünf entkernte Chili-Schoten, etwas zerstoßener Piment, ein bisschen gemahlener Koriander, ein Esslöffel Zitronensaft und eine vorsichtig bemessene Dosis geriebene Zitronenschale. Bloß nicht zu viel davon, sonst dominiert der Zitronengeschmack die fertige Würzsauce. Dann natürlich ein anständiges Stück Ingwer, geraffelt. Und als letzte Zutat im Mörser zerquetschte Aprikosenmandeln, zehn bis zwanzig etwa. Um diese zu gewinnen, werden die Kerne geknackt, was erstaunlich leicht von der Hand geht. Wie bei herkömmlichen Mandeln müssen auch die Samen der Aprikose enthäutet werden - dazu am besten mit kochendem Wasser übergießen und anschließend die Mandeln aus der braunen Haut drücken. Dann werden sie noch ein paar Minuten in einer Pfanne getrocknet. Nur nicht anrösten, um den Marzipangeschmack - natürlich müsste man hier passender Weise von Persipan reden, dessen Rohstoff schließlich Aprikosenkerne sind - nicht zu verfälschen.
Mit den Aprikosenkernen ist es allerdings so eine Sache. Für das Rezept verwendbar sind überhaupt nur die süßen Mandeln aus dem Kern. Je nach Sorte können sie auch bitter sein - Anzeichen für einen hohen Gehalt der Substanz Amygdalin, die Blausäure abspaltet und damit nicht gerade zum Wohlbefinden beiträgt. Grund für berufene Institutionen, vom Verzehr der Kerne generell abzuraten. In der Naturheilkunde allerdings scheinen Aprikosenkerne seit einiger Zeit en vogue zu sein. Ihnen wird eine Krebs vorbeugende oder sogar heilende Wirkung nachgeraunt, von der in seriösen Studien allerdings nichts zu beobachten war - im Gegenteil. Manche Probanden zeigten die typischen Zeichen einer Blausäure-Vergiftung. Natürlich kommt dann auch hier wieder die Rede auf ein geheimnisvolles Naturvolk, in diesem Fall nennt es sich Hunzukuc. Hunzukuc (vulgo: Hunza) leben angeblich vegan (was nicht stimmt), vertilgen täglich tütenweise Aprikosenkerne und kennen daher keinen Krebs. Man darf sich staunend fragen, wer sich solche Geschichten ausdenkt (Antwort hier), wer sie ungeprüft verbreitet (Antwort hier) und wer sie schließlich trotz Abwesenheit vertrauenswürdiger Quellen für glaubhaft hält. Bei den Haien hat sich eine ähnliche Legende bekanntlich als Unsinn herausgestellt - zu spät für Tausende Haie, die ihrer Knorpel wegen gefischt und vermahlen wurden.
In mein Chutney gehören jedenfalls die hoffentlich unbedenklichen süßen Aprikosenmandeln - immerhin isst das Naturvolk der Italiener tütenweise daraus gebackene Amarettini und gilt bisher nicht als komplett vergiftet.
Die farbenprächtige Mixtur muss jetzt eine Dreiviertelstunde vor sich hin simmern. Dabei sollte sie ein wenig eindicken, aber nicht zu Konfitüre werden. Chutney ist keine Marmelade - es darf ein bisschen fließen. Deswegen werden Rezepte, die mit Gelierzucker operieren, hier auch rundheraus abgelehnt. Das fertige Chutney ist eine unverzichtbare Beigabe zu warmem Ziegenkäse, passt aber auch zu gegrillten Lammkoteletts. Oder zu einer wirklich guten Bratwurst. An einem der nächsten Abende zünden wir den Rost im Hof - unter dem wundervollen Aprikosenbaum, edler Spender von Frühstückskonfitüre und Würzsauce. Dankesehr.
Im Dampf - Aprikosen, noch ungehäutet.