Michael Jackson ist tot. Wir trinken Holundersekt. Das eine hat mit dem anderen nicht das geringste zu tun. Auf dem Balkon sind vielfarbig die Wicken aufgeblüht - schneeweiß, cremefarben, hellrosa, satt violett, karminrot. Die ersten grünen Tomaten verstecken sich unter den Blättern, die Pflanzen haben das Gardemaß von zwei Metern erreicht.
Und bei einer der Artischocken streckt sich tatsächlich ein Blütenstängel, an dessen Spitze eine Knospe sitzt.
Zurück zum Holundersekt, vergessen wir Michael Jackson. Der Stoff ist reif und schmeckt erstaunlich gut. Bevor man ihn allerdings trinken kann, muss man die delikate Prozedur des kontrollierten Flaschenöffnens exerzieren.
Beim Entkorken einer herkömmlichen Flasche Sekt oder Prosecco (
spumante selbstverständlich) entweicht der Druck meist mit einem Schlag, gefolgt von etwas aufquellendem Schaum. Nach ein paar Sekunden erstirbt dann aber der letzte Widerstand der geköpften Bouteille, und man kann gefahrlos ausschenken. Nicht so beim Holundersekt. Ein tückisches Gebräu lauert da in der Flasche. Vorsichtig löst man den Bügel und lupft den gummierten Porzellanstopfen, da geht der Sturm los. Minutenlang gast immer neues Kohlendioxid aus, die Flüssigkeit brandet unablässig den Flaschenhals hinauf und zischt am Stopfen vorbei, den man mühsam auf die Mündung gepresst hält. Wirklich keine Übung, die man in geschlossenen Räumen absolvieren möchte. Endlich entlässt man das brodelnde Zeug ins Glas, wo es zur Ruhe kommt. Leicht trüb, unten treiben noch ein paar

Hefeschnüre, die Flüssigkeit ist gelbgrün wie Bitter Lemon, mit eher grober Perlage. Der Hollersekt schmeckt in der Tat nicht mehr vordergründig nach Holunderblüten, das Aroma ist aber durchaus noch da. Etwas deutlicher ist eine angenehm bittere Zitrusnote, wie beim Grapefruitsaft oder beim Bitter Tonic. Dazu auch ein ganz leichter Seifengeschmack, der zunächst irritiert, sich dann aber einordnet. Gut gekühlt ist das ein passables Erfrischungsgetränk für den Frühsommer. Also nehmen wir es auf den warmen, rauen Robinienholzplanken der Balkonbank ein.
Auf unserer linken Seite duften die Wicken, und unser wohlwollender Blick fällt auf den Quittenbaum. Der bekommt langsam die Gestalt eines anständigen Obstgehölzes. Nach dem kräftigen Austrieb neuer Blätter besitzt das Bäumchen fast so etwas wie eine Krone.
Das sehe ja aus, bekomme ich gesagt, wie das
„singende, klingende Bäumchen“ aus dem 1957er DEFA-Film - Stamm und Zweigansätze zierlich und unbelaubt, erst in den Spitzen die Blätter, als hätte jemand sie einzeln aufgehängt.
In einer Plastikschüssel unter der Bank dümpeln grüne Walnüsse im Wasser. Ein paar Tage noch, dann sind sie schwarz und werden fünf weitere Tage in Läuterzucker mariniert, ehe ich sie in die Gläser füllen und mit der erhitzten Zuckerlösung bedecken kann. Das möchte ich auch mal so haben. Tagelang im Läuterzucker schwimmen und dann bis Weihnachten in der sympathischen Begleitung von Zimtstangen und Zitrusschale ausruhen dürfen.