Tilia
Tilia
Freitag, 19. Juni 2009
Ein paar Verkostungs-Notizen noch von den übrigen Holunderblüten-Produkten. Das Gelee ist tadellos geraten, obwohl ich mich auch beim nächsten Mal wieder daran erinnern muss, dass der Blütenauszug kein eigenes Pektin mitbringt und deshalb genügend Zucker braucht. Man schmeckt das Blütenaroma deutlich heraus, ohne dass es aufdringlich wird. Ein bisschen viel Zitrone vielleicht, da ist kommende Saison mehr Zurückhaltung geboten.
Auch der Likör ist prima. Der weiße Rum passt gut zur Holunderblüte, und der Kandis bettet die beiden Aromen federweich ein. Davon gehört probeweise mal ein Tropfen in den Prosecco.
Der Sirup schließlich leidet ein wenig darunter, dass zur Konservierung Zitronensäure zugesetzt werden musste. Der Sauergeschmack sticht deutlich heraus, obwohl sich die Holunderblüte behaupten kann. Das Problem verdünnt sich, wenn der Sirup zum Mineralwasser kommt. So etwas kann man prima beim Juninachmittags-Picknick trinken, oder auch abends am Balkongeländer.
Dafür ist Opas Zigarettenbilderalbum „Aus Wald und Flur“ noch verfügbar. Aus der gleichen Reihe besitzen wir noch „Aus Deutschlands Vogelwelt“. Herausgegeben vom „Cigaretten-Bilderdienst Altona-Bahrenfeld“, erschienen 1937, aus den Begleittexten dampft der strenge Geruch von Blut und Boden. Das geht dann so: „Die Lieblinge unserer Kindheit: Frau Holle, Hänsel und Gretel, Rotkäppchen, Schneewittchen, die sieben Zwerge und die anderen Helden unserer Märchen, sie alle wohnten und lebten im Walde, in dem die Wurzeln des deutschen Volkstums verankert sind.“ Dazu gestellt sind offenbar handkolorierte Fotos, und natürlich gibt es einen Abschnitt über die Linden, über Sommerlinde und Winterlinde und deren Bastard Tilia intermedica. Auch hier werden germanische Mythen bemüht, so jener, dass „kein Blitzstrahl die Linde zu treffen wage“, weil sie Wodans Gemahlin Freyja geweiht sei. Weiter unten, wenn die Blüten von Tilia platyphyllos beschrieben werden, geht des Verfassers Pegasus ein bisschen mit ihm durch: „Sie (die Blüten) atmen einen honigsüßen köstlichen Duft aus, der nach den Küssen schmeckt, die die verliebten Herzen junger Menschen höher schlagen lassen.“ Das überprüfe bitte jeder selbst.
Also. Erster Versuch: ein Sirup auf der gleichen Basis wie jener mit Holunderblüten. Viel weniger Zitronen allerdings, denn Lindenblütenduft ist zwar unverkennbar, aber längst nicht so dominant wie beim Holunderbusch. Ein paar Hände voll Blüten, befreit von Stielen und dem lindentypischen Blattsegel, mit abgekühltem Läuterzucker aufgießen, eine zerschnittene Biozitrone dazu. Drei Tage ziehen lassen, etwas Zitronensäure untermischen. Ergebnis: Ein Sirup, der noch deutlich nach Linde riecht, aber nicht mehr ganz so auffällig danach schmeckt. Mal sehen, vielleicht wird demnächst ein Sorbet daraus.
Lindenblüten, Schlosspark Pankow.