Wir schlagen diesen Frühling alle
Bauernregeln in den Wind, trotzen
Mamertus, Pankratius, Servatius, Bonifatius sowie der kalten Sophie (die u. a.
hier entzaubert werden und vor denen
hier gerade nicht gewarnt wird) und stellen
die angezogenen Tomaten am Wochenende nackt nach draußen. Was sich vor allem damit begründen lässt, dass wir die Pflanzarbeiten auf dem Balkon zu einem zumindest vorübergehenden Abschluss bringen wollen. Außerdem haben „Rosii Marunte“ und „Tropfenförmige von Linosa“ ihre Torftaler vollständig durchwurzelt. Die weißen Fäden bilden Zöpfe unter dem Ballen und schlingen sich auf der Suche nach mehr Erde zu Spiralen. Da muss gehandelt werden. Zwei Tontöpfe werden mit Jungpflanzen von vier Sorten besetzt. Zwei weitere Kübel bleiben vorerst frei - für ein paar später ausgesäte Nachrücker, die gerade erst keimen konnten. Auch die Rankstäbe, zwei Meter lang, werden noch nicht gesteckt. Ich will die Töpfe, falls der Frost doch noch einmal zurückkommt, ohne größere Rangierarbeiten in die Stube holen können.
Drei Artischockenpflanzen bekommen einen Platz an der Sonne. Es gibt neuen Rosmarin, zwei Sorten, eine aufrechte und eine eher kriechende.
Beide als Mikro-Busch. Leider war kein gleichwertiger Ersatz für den dahingestorbenen Vorgänger zu finden, der immerhin einen Stamm hatte und durchaus als Kleinstrauch in die Wertung gehen konnte. Dann kommt noch ein weiterer Thymian hinzu und eine Zitronenmelisse. In einem Kasten wird Wilde Rauke ausgesät.
Für den Kirschbaum ist noch kein Nachfolger bestimmt. Im Pflanzen-Center gab es Quitten-Hochstämme, die in den Spitzen aber schon dürr waren. Oder soll es doch eine Wildpflaume werden? Es wird beschlossen,
hier mal nachzuschauen und Rat zu holen. Eigentlich ist die Saison für die Neupflanzung eines Obstbaums ja auch schon vorbei. In der Familie brodelt Kritik auf - soll das
Skelett der Süßkirsche also den ganzen Sommer im Weg stehen? Ich zeige auf die traurigen, verwickelten Blättchen, die doch noch an einigen Zweigen erschienen sind. Anderswo blutet der Baum aber auch weiches Harz aus.
Besorgte Blicke gehen jeden Morgen zudem zum Rittersporn. Die letzten beiden Nächte waren stürmisch, und die inzwischen anderthalb Meter hohen Blütenstängel wirken nicht gerade windsicher. Bisher sind sie allerdings nicht abgeknickt. Im Gegenteil, sie scheinen den Gewalten geschmeidig auszuweichen. Je nach Wetter und Wasserangebot wachsen sie übrigens nicht strikt nach oben, sondern neigen und strecken sich abwechselnd.
Freitag früh sah der größte Stängel aus wie der Wirbelkasten eines
Cellos. Einen Tag später hatte er sich wieder aufgereckt, und von der Schneckenform war nur noch ein leichter Wellenschwung übrig.
Möbelrücken. Die Sitzbank vor dem Küchenfenster muss den vier Tomatentöpfen weichen und wird um einen Viertelkreis gedreht. Der Blick geht jetzt nach Südwesten. Gerade abends, wenn der Himmel rot wird, ist das schöner. Zur Begleitung schwärmt ein Grünfink auf dem obersten Ast der Birke vor dem Haus.