Beleidigung auf Botanisch
Beleidigung auf Botanisch
Donnerstag, 9. April 2009
Viele Pflanzennamen eignen sich vorzüglich dazu, in einer gepflegten Beschimpfung verwendet zu werden. Sie klingen so wundervoll abfällig, so erlesen beleidigend, dass wir sie gern dem botanischen Sachzusammenhang entreißen und hier aufführen wollen. Mein KOSMOS-Naturführer „Was blüht denn da?“ enthält die folgenden schönen Beispiele. Natürlich kann hier kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden. Gut möglich, dass übellaunige Systematiker noch weit schlimmere Schmähungen erdacht haben.
Nickendes Leimkraut (Silene nutans), das: niemand, mit dem man im selben Zugabteil sitzen möchte.
Gemeiner Natternkopf (Echium vulgare), der: ein Bekannter, mit dem man seit Jahren nicht gesprochen hat, der aber der Familie detailgenau erklären kann, welche Leichen man angeblich im Keller hat.
Großer Klappertopf (Rhinanthus angustifolius), der: Kameramann, der während des Drehs unablässig von a) seinen letzten drei - unvollendeten - Filmprojekten, b) seiner bevorstehenden Wanderung über den Jakobsweg und c) seiner geplanten Dissertation über Stringtheorie und Dehnung des Universums redet, aber die entscheidende Naheinstellung unscharf aufnimmt.
Weiße Pestwurz (Petasites albus), die: international anerkannte Großmeisterin der Intrige.
Warzen-Wolfsmilch (Euphorbia verrucosa), die: alleinstehende Nachbarin im Rentenalter, die gern von außen durch den Türspion späht.
Dreifinger-Steinbrech (Saxifraga tridactylitis), der: guter Freund des Beinbrech (Narthecium ossifragum). Beide sind hinreichend aus der Türsteherszene bekannt.
Stinkende Nieswurz (Helleborus foetidus), die: selten offen gebrauchte Bezeichnung für einen Kollegen, mit dem man aus den unterschiedlichsten Gründen gern nie, nie, nie wieder arbeiten möchte.
Sumpf-Kratzdistel (Cirsium palustre L.), die: ältere Dame, die nach drei Gläsern Sekt gehässig wird.
Gewöhnliche Rauschbeere (Vaccinium uliginosum), die: ältere Dame, die nach drei Gläsern Sekt verdrossen kein Wort mehr sagt.
Widerbart (Epipogium aphyllum), der: Kollege, der auf der Wochenkonferenz alle Vorschläge mürrisch ablehnt, aber keinen eigenen vorbringt.
Gewöhnlicher Blutweiderich (Lythrum salicaria), der: BILD-Leserreporter.
Niederliegendes Mastkraut (Sagina procumbens), das: jemand mit einem ernsthaften Gewichtsproblem, aber auch mit der Überzeugung, jede körperliche Aktivität sei letztlich schädlich.
Große Fetthenne (Sedum telephium), die: Sekretärin, die man mit einer Zweikilopackung Pralinen gewogen stimmen muss, ehe sie einen mit dem Chef verbindet.
Filzige Klette (Arctium tomentosum), die: Wochenendbesuch, der auch Dienstag noch nicht wieder abreisen möchte.
Dornige Hauhechel (Ononis spinosa), die: jemand mit absolut tödlichem Mundwerk.
Gewöhnlicher Beifuß (Artemisia vulgaris), der: früherer Banknachbar, der auf Klassentreffen grundsätzlich in Begleitung seiner Ehefrau auftaucht.
Roter Hartriegel (Cornus sanguinea), der: altgedientes Mitglied einer K-Gruppe.
Spreizende Melde (Atriplex patula), die: jemand, der unablässig seine Wichtigkeit unterstreicht, indem er mit drohendem Unterton auf seinen hervorragenden Draht zum Geschäftsführer verweist.
Dreinervige Nabelmiere (Moehringia trinervia), die: Kollegin, die einen mit ausführlichen Erzählungen über Hund, Katze oder Kanarienvogel langweilt.
Weichstendel (Hammarbya paludosa), der: Redakteur, der seine Einschätzung zur Qualität einer Sendung erst dann bekannt gibt, wenn die Einschaltquoten vorliegen.
Spurre (Holosteum umbellatum), die: jene Kollegin oder jener Kollege, an der bzw. dem die Verwirklichung eines Projekts letztlich scheitert.
Schwarze Teufelskralle (Phyteuma nigrum), die: geheimnisvoller, frustrierter Mitarbeiter in der Senderegie einer Fernsehanstalt, der für Zwischenfälle wie Tonstörungen, Bildausfälle oder das Abspielen einer falschen Aufzeichnung verantwortlich ist.
Zurückgekrümmter Fuchsschwanz (Amaranthus retroflexus), der: Autor nach der redaktionellen Abnahme eines Beitrags.
Dies alles natürlich mit einer Verneigung vor dem seligen Douglas Adams und seinen umwerfenden Büchern „The Meaning of Liff“ und „The Deeper Meaning of Liff“.
Gewöhnlicher Natternkopf.