Etwas Marmelade, etwas Konfitüre 1
Etwas Marmelade, etwas Konfitüre 1
Sonntag, 8. Juni 2008
In der Erdbeersaison werden wir vom Balkon zu Großverbrauchern. Mindestens ein Kilogramm geht täglich über den Tisch. Und das ist nur die Menge, die wir frisch essen - pur, mit etwas Zucker und Joghurt, manchmal mit einigen Tropfen Balsamico-Essig. Dazu kämen dann noch etliche Körbe, deren Inhalt wir konservieren, damit der unvergleichliche Beerengeschmack auch in den graueren Monaten verfügbar wird. Als eingefrorenes Püree, als Erdbeereis, vor allem aber als Marmelade. Letzten Freitag konnten dreizehn Gläser Erdbeerkonfitüre ins Kellerregal gestellt werden - der Grundstock für die noch aufzubauenden Marmeladenvorräte, die, bitteschön, nicht wieder so schmählich früh zu Ende gehen sollen wie letztes Mal.
Mein immer währender Maßstab für gute Marmeladen wurde von meiner Oma gesetzt. Ich habe nie tatsächlich gesehen, wie sie die Früchte gekocht hat. Ich hatte immer nur das Ergebnis auf der Zunge. Wie sie es angestellt hat, dass Marmeladen und Gelees nicht nur süß schmeckten, sondern nach dem Konzentrat eines ganzen Korbes voller Früchte - ich kann nur raten. Und Jahr für Jahr wieder Anlauf nehmen, mir diesen Geschmack zurückzuholen.
Genuss ist bei der Massenproduktion also zweitrangig. Der Marmeladenkoch am eigenen Herd setzt da natürlich andere Prioritäten. Und muss sich daher bei Zutaten und Zubereitung von allem absetzen, was die Industrie in ihren Riesenkesseln verwendet. Halt, ruft da der Betriebswirtschafts-Schlaumeier. Gibt es beim benachbarten Discounter nicht Marmeladen-Näpfchen schon zum unschlagbaren Preis von 59 Cent? Lohnt da das Selberkochen überhaupt? Hier muss man hart bleiben und dem Schlaumeier sagen: Geh weg! Wer so eine Frage aufwirft, von dem sagen wir Jungs vom Fernsehen, er habe den Film nicht verstanden. Industrielle Methoden machen ein Lebensmittel sicherlich billiger, vielleicht sogar hygienischer, aber selten besser.
Womit wir zurück bei der Beschaffungsfrage wären. Was meine Oma damals zu Marmelade machte, waren entweder Gartenerdbeeren oder jene Sorten, die seinerzeit vom staatlichen Großhandel in den örtlichen Gemüseladen geliefert wurden. Mithin solche Beeren, die äußerlich zwar keinen Schönheitspreis gewinnen konnten und hier und da schon weiche Stellen vom Transport hatten, aber einfach wie Erdbeeren schmeckten, weil die zweifelhaften Segnungen der heutigen Sortenzucht noch nicht verfügbar waren.
Wer keine Gartenfreunde hat, braucht Glück. Bei der Fahrt durchs ländliche Brandenburg kommt man mitunter in ein Dorf, in dem der eine oder andere Bewohner einen klapprigen Tisch mit ein paar frischen Gartenfrüchten vor das Tor gestellt hat. Man zahlt einen lächerlichen Betrag in eine "Kasse des Vertrauens" - meist eine Blechbüchse mit eben dieser Aufschrift - und nimmt sich, was man braucht.
Akzeptable Erdbeeren finden sich hin und wieder natürlich auch in Bioläden oder auf Wochenmärkten. Es hilft nichts - man muss sich durchkosten, bis man die perfekte Sorte für die Marmelade findet. Und sich dann gut merken, wo man sie bekommen hat.
(Weiter zur Marmelade geht es hier. Und die Überschrift für diesen Text ist natürlich dem Song „Frühstück“ von den Gebrüdern Blattschuss entliehen.)
Beeren, die keine sind. Die Erdbeere ist eine Sammelnuss. Eine Scheinfrucht.