Das Dritte
Das Dritte
Freitag, 25. April 2008
Eigentlich wollte ich ja spätestens im Februar von einer neu veröffentlichen CD atemlos überrascht werden (weitere Wünsche und Erwartungen siehe hier). Es hat bis in den April gedauert. Beth Gibbons, Geoff Barrows und Adrian Utley haben zehn Jahre gebraucht, um nach dem zweiten ein drittes Portishead-Album zu komplettieren. Ich gestehe, dass meine Vorfreude nicht übertrieben hoch war. Vor einem Jahr tauchte ein erster neuer Track auf der MySpace-Seite der Band auf, er hieß höchst angemessen „Key Bored 299 03“ und war sterbenslangweilig. Das Geräusch einer Band ohne Ziel. Ein bisschen Glöckchenbimmeln, ein öder Drumloop, gesampeltes Vinylkratzen. Das Stück war eine instrumentale Songskizze, vielleicht hätte Beth Gibbons Stimme noch etwas gerettet, vielleicht aber auch nicht. Es sah nicht so aus, als würden Portishead noch einmal zu dem werden können, was sie in den späten 90ern waren - eine Band, die etwas bedeutete. Eine Band, die einen dazu brachte, anders Musik zu hören, andere Musik zu hören.
Heute erscheint das Album „Third“, vorweg gab es die Single „Machine Gun“, und natürlich konnte jeder, der es wollte, die einzelnen Songs im Netz schon seit Wochen probehören. Zwei Dinge waren sofort ganz klar. Erstens: Die Langeweile von „Key Bored“ haben die Musiker mit einer gewaltigen Kraftanstrengung ausgetrieben. Und zweitens: Keiner der Tracks wird diesmal einen Werbespot für Parfüms oder Automobile begleiten. Beth Gibbons‘ Gesang hat schon auf den letzten beiden Alben nicht gerade dazu ermuntert, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Diesmal aber klingt die Kettenraucherin komplett verloren und nicht mehr erreichbar. Ein unglaublicher Kontrast zu den Maschinenbeats etwa der Singleauskopplung. Dann wieder ein Song wie „Deep Water“ - trügerisch heiteres Geklimper auf einer Lagerfeuer-Ukulele, dazu schockierend leichthin der letzte Monolog einer Frau, die ins Wasser geht: „Alone with my self doubting again / I try not to struggle this time“. Da dämmert nirgendwo ein Morgen wie noch auf dem ersten Werk, „Dummy“, auf dem es immerhin die beinahe ironischen Zeilen gab: „Nobody loves me / it‘s true / not like you do“ (aus „Sour Times“). Favoriten nach den ersten Hördurchgängen: „The Rip“ und „Silence“. Kann es sein, dass jeder große Musiker irgendwann einmal einen Song über die Stille machen muss? Eine sehr oberflächliche Suche auf meiner Festplatte ergibt „Silence“-Referenzen (natürlich!) bei PJ Harvey, bei den Einstürzenden Neubauten („Silence is sexy / it‘s not sexy at all“) und, ähm, Depeche Mode selbstverständlich. Portishead sind mit „Third“ jedenfalls jetzt schon unter den zehn besten Alben von 2008. Was soll schon noch passieren?
Übrigens werden auch die Tindersticks am Montag ein neues Album veröffentlichen. Es heißt „The Hungry Saw“. Wie schrieb der NME schon vor Jahren: „Adoration of this band should be mandatory“. Das entsprechende Gesetz würde ich ohne Zögern unterschreiben.
„I travelled so far / I somehow feel the same“ („Threads“)