Tigerpenis, Haifischknorpel
Tigerpenis, Haifischknorpel
Freitag, 11. April 2008
Der Chinese an sich hat es nicht einfach. Gerade in diesen Tagen bekommt er extrem schlechte Presse. Weil er dem Tibeter auf den Kopf gehauen hat. Der Europäer schaut aber schon lange mit Misstrauen auf den Chinesen. Dafür lassen sich viele Gründe anführen. Der Europäer findet es, unter anderem, abstoßend und lächerlich, dass der Chinese getrockneten Tigerpenis als Potenzmittel benutzt. Ein schönes Rezept für Tigerpenis-Suppe findet sich übrigens hier.
Für angemessen hält es der Europäer wiederum, wenn er selbst pulverisierten Haifischknorpel einnimmt. Das hat sich eigentlich der Amerikaner ausgedacht. Haifischknorpel, da besteht über den Nordatlantik hinweg Einigkeit, hilft gegen Gelenkverschleiß und sogar gegen Krebs.
Auch Haifische haben es ja nicht einfach. Sie kriegen ebenfalls meist schlechte Presse. Blutrünstige Monster, heimtückische Killer, man kennt das. Andererseits, so beruhigt sich der Mensch, sind die Haie ja auch nützlich. Weil sie überwiegend aus Knorpel bestehen, lässt sich aus ihnen wunderbar Knorpelpulver herstellen. 50 Kilogramm Hai für ein Kilogramm Knorpel. Knorpel ist eine an sich minderwertige Eiweißquelle. Oder aber ein Wundermittel. Je nach Perspektive.
Es war ein Amerikaner namens William Lane, dem vor einigen Jahren dämmerte, dass Haie keinen Krebs bekommen. Jedenfalls veröffentlichte er 1992 ein Buch, das dies behauptete. 1996 legte er noch einmal nach und brachte die Fortsetzung auf den Markt. Haie, so hieß es im Titel, bekommen immer noch keinen Krebs. Der Mann - ein Lobbyist der Fischereiindustrie - folgerte messerscharf, dass die Einnahme von Haifischextrakt also vor Krebs schützen müsste. Dazu lassen sich zwei Dinge bemerken. Zum einen bekommen Haie leider doch Krebs. Pech gehabt. Zum anderen gibt es eine schöne Tradition des Glaubens, man könne sich die Kräfte eines anderen einverleiben, wenn man ihn einfach aufesse.
Das ging bei den Steinzeitmenschen los und hörte bei den Kannibalen nicht auf. Ob nun der Jäger das Herz seiner Beute aß oder der Krieger das Hirn des feindlichen Häuptlings - immer ging es darum, die Schnelligkeit oder die Schlauheit des Gegners zu übernehmen. Oder seine sexuelle Leistungskraft. Der Chinese und der Tigerpenis, siehe oben. Der Tiger soll nämlich in der Lage sein, seine Paarungsaktivitäten über Tage hin auszudehnen. Der Akt selbst, liest man, sei dann allerdings jeweils nur 15 Sekunden lang.
Der Europäer wirft also Haifischknorpel ein, weil ein urmenschlicher Instinkt ihm zu sagen scheint, dass er so die Eigenschaften des Haies erwirbt. Die Immunität gegen Krebs, zum Beispiel. Oder seine Gelenkigkeit. Oder, wie die Hersteller rühmen, „Kraft, Stärke, Widerstandsfähigkeit und Vitalität“. Alles zusammen. Mancher erwartet sich einfach nur Hilfe gegen Arthrose. So etwas kriegen Haie ja wahrscheinlich auch nicht. Haiknorpel, so stellt man sich das vor, gelangt über den Verdauungstrakt ins Blut und auf irgendeine Weise bis in die eigenen, geschundenen Gelenke. Dort fügt er sich dann wieder zu gesundem Knorpel zusammen. Wie genau das erfolgen soll, vermag niemand zu sagen. Glauben hilft.
Überhaupt kommt man ins Staunen, was gerade der ältere Europäer an ergänzenden Mitteln so zu sich nimmt. Algen. Pulver aus Krabbenschalen. Fischöl. Eiweißkonzentrate. Kurz: Den Bodensatz einer Biotonne, zu Kapseln gepresst. Richtiges Essen ist eben zu teuer. Da kann man dann gern mal wieder zum Chinesen schauen. Der weiß nicht nur Verwendung für den Penis des Tigers, sondern auch für dessen Schnurrhaare (machen kugelsicher), Augäpfel (gegen Epilepsie), Hirn (mit Öl über den Körper verrieben gegen Faulheit und Akne), Knochen (gegen Rheuma), Herz (macht mutig und listig). Und sofort kommt einem hier der Direktor von Berlins Tierparks in den Sinn. Herr Blaszkiewitz, der schon mal unwillkommene Zooinsassen per Genickbruch eigenhändig und „fachgerecht“ tötet, wäre besser beraten, die ausgemusterten Tiere zu Nahrungsergänzungsmitteln verwursten zu lassen. Das würde die Mehrzahl der Zoobesucher zwar kurzfristig verwirren. Und schlechte Presse gäbe es auch schon wieder. Aber wer die Sache pragmatisch betrachtet, sieht sogleich die Vorteile. Es ist alles nur eine Frage der Vermittlung. Katzenfell soll ja gegen Rheuma helfen. Und vielleicht lässt sich auch der eine oder andere überzählige Tigerpenis gewinnen. Da freut sich dann sogar der Chinese.
Spielverderber - die Hallenser Pharmazeuten