Letzte Konfitüre des Jahres
Letzte Konfitüre des Jahres
Freitag, 31. Oktober 2008
Die Schlehenernte ist eine dornige Angelegenheit. Nach den Brombeeren ist der Schlehdorn wohl das wehrhafteste Obst, dem man begegnen kann. Prunus spinosa (spina = lat. Dorn) tut einiges, um dem Sammler das Einbringen der blauschwarzen Steinfrüchte gründlich zu verleiden. Das beginnt mit den besagten Dornen. Schwacher Trost, dass diese botanisch tatsächlich auch Dornen sind und keine Stacheln wie bei der Brombeere. Und das setzt sich mit den eigentlich ungenießbaren Früchten fort. Schlehen stecken voller Gerbstoffe. Wer im Spätsommer in eine frische Schlehe beißt, nimmt zunächst einen irritierend stumpfen Geschmack wahr, ehe ihm die kräftige Säure beide Wangen über der Zunge zusammenzieht. Das mit den Gerbstoffen ändert sich nach dem ersten Frost, aber auch dann muss die Frucht normalerweise zunächst einen Kochtopf passieren, ehe sie dem Verzehr zugeführt werden kann.
Gestern war so ein Tag. Drei Grad, Dauernieseln. Weil es abends noch eine Ausgabe von „Hauptsache gesund“ zu betreuen gab, konnte ich es mir nicht leisten, allzu verwüstet von der Schlehenlese zurückzukehren. Andererseits schien heute die für längere Zeit letzte Gelegenheit, die Leipziger Vorkommen von Prunus spinosa abzugrasen. Also betrat ich das Dickicht notgedrungen mit einem - Schirm. Gut, dass selbst die Hundebesitzer an diesem klammen Morgen zuhause blieben und niemand weiter Zeuge dieser unwürdigen Szene wurde. Wildobstsammeln mit Schirm - das ist wie Autofahren mit Hut. Oder Nordic Walking mit Thermosflasche.
So hielt ich verschämt den Mini-Knirps, zusammen mit dem Korb, in einer Hand, während ich mit der anderen versuchte, die Zweige heranzuziehen und gleichzeitig die Schlehen abzuzupfen. Nach einem halben Korb hatte ich die Nase voll.
Anderntags werden die Früchte mit einem Glas Wasser angedünstet. Sobald sie weich sind, kommen sie in ein grobmaschiges Sieb. Dort wird das Fruchtfleisch durchgedrückt. Die Kerne, die harten Schalen und die zähen Reste bleiben hängen. Was in der Schüssel landet, wird mit Gelierzucker aufgekocht. Pektin bringen die Schlehen reichlich mit, sodass man bei der Zuckerbemessung und bei der Kochzeit sparsam sein kann.
Das Ergebnis ist eine ganz anständige, standfeste Konfitüre, im Geschmack irgendwo zwischen Sauerkirsche und Pflaume. Immer noch spielt sich eine kräftige Säure nach vorn, und eine Ahnung von dem oben beschriebenen stumpfen Eindruck auf der Zunge ist ebenfalls noch da. Aber schließlich geht es hier um Wildfrüchte, denen man ihre Eigenheiten nicht ganz austreiben mag. Die Konfitüre macht sich sicher nicht nur auf dem Brötchen gut, als Beimischung einer Sauce für Wildfleisch kann ich sie mir genau so gut vorstellen. Vielleicht hole ich ja in einer der kommenden Wochen doch noch einen Nachschlag aus den Sträuchern - falls die Früchte dann nicht schon ganz zerfallen sind. Aber einen guten Schnaps würde ich damit gern noch ansetzen.
Prunus spinosa. Schlehe, Krieche, Spilling, Hagedorn, Bockbeerli. Dann auch noch: blackthorn, prunellier, prugnolo, aranyó, tjorn, endrina. Das Bild entstand natürlich im Spätsommer.