Witzigmanns Gipfel
Witzigmanns Gipfel
Samstag, 12. Januar 2008
Eckart Witzigmann ist ein Großer. „Jahrhundertkoch“ nennt ihn der FEINSCHMECKER gelegentlich. Man muss sich von so einem Titel nicht einschüchtern lassen. Witzigmanns Rezepte sind nie angeberisch kompliziert. Was der Mann kann, zeigt sich auch im Kleinen. Es gibt ein Dessert von ihm, das sich „Monts Blancs“ nennt. Und das ist wirklich der Gipfel.
Zum Eiweiß kommen nun etwa 150 Gramm Puderzucker und zehn Gramm Vanillezucker, die nach und nach in die steif geschlagene Eiweißmasse gemischt werden. Mit einem Esslöffel werden dann kleine Baisers auf ein mit Backpapier bezogenes Blech gesetzt und im Ofen bei 100 Grad getrocknet. Im Originalrezept steht was von zwei Stunden, aber meine Erfahrung ist, dass das durchaus mal eine halbe Nacht dauern kann. Nichts ist schlimmer als ein Baiser, bei dem unter der äußeren festen Kruste ein zähflüssiger, klebriger Zuckerkern lauert. Sicherheitshalber drehe ich die Temperatur auf 50 Grad hinunter und nehme die ganze Nacht in Anspruch. Das Risiko dabei - die Baisers bleiben nicht schneeweiß, sondern dunkeln ein wenig ein. Wer diesen rein kosmetischen Makel nicht mag, muss scharf aufpassen.
Dann die Kastanien. Ein Profi nimmt natürlich frische, die er erst erhitzen und schälen muss. In so einem Fall mache ich dann aber doch ein Zugeständnis an meine eigene Bequemlichkeit. Gelten vorgekochte und vakuumierte Kastanien eigentlich schon als „Convenience-Produkt“? Ich schlage die ideologischen Bedenken für den Moment in den Wind und gebe gut 250 Gramm Maronen in einen Topf, dazu 120 Gramm Zucker (alle Mengen entsprechen etwa dem Dreifachen der Zutaten im Originalrezept, das nur für zwei Personen gedacht war - und ich will definitiv mehr essen als nur einen Mont Blanc) und eine aufgeschnittene Vanilleschote, deren Mark ich ausschabe und ebenfalls mit dazu lege. Dann wird mit Wasser aufgegossen. 20 Minuten muss das Ganze sanft kochen, dann wird es - die ausgekochte Vanilleschote natürlich vorher entfernen - püriert. Wer es ganz genau nehmen will, kann das Püree noch durch ein feines Metallsieb streichen, aber wirklich nötig ist das nicht. Witzigmann empfiehlt nun noch die Zugabe von etwas Kirschwasser - ich nehme stattdessen gern Schlehenbrand, dessen leise Marzipannote gut zu den Maroni passt. Luft holen, abkühlen lassen.
Und dann - ein Fest der Gegensätze. Die krosse, ein bisschen pulvrige Eiweißmasse gegen die luftige, kühle Sahne. Die Bitternote der Preiselbeeren gegen den Zucker. Alles wieder versöhnt vom nussigen Kastanienpüree. Wie gesagt, der Gipfel.
Kleine Voralpenlandschaft aus Eiweiß und Zucker.