In den Gärten draußen blühen seit Anfang August die Heliopsis. Ein Zeichen, dass der Sommer zu Ende geht. Auf dem Balkon werden die Kräuter trocken, die Wicken sind dürr, der Fenchel knistert wie Stroh. Die Lupinen: abgeblüht. Bei den Erdbeeren: Saisonende. Dafür machen endlich die Artischocken ihre Blüten auf, Monate später als im Mittelmeerraum.
Seit Wochen essen wir Tomaten von der Terrasse. Die bulligen
Casalino. Süße, gelbe Cocktailtomaten. Intensiv fruchtig schmeckende lila Pflaumentomaten. Daneben gibt es noch eine zapfenförmige
dunkelgelbe Sorte sowie faustgroße Fleischtomaten in orange. Die letzten beiden sind ausgesprochen uninteressant. Vor allem die gelben Zapfen bestehen innen fast nur aus einem strunkigen, blassen Herz und bringen kaum Aroma mit. Ich habe bisher fast alle in die Biotonne befördert. Schade drum, aber wer die Wahl hat zwischen diesen matten Entschuldigungen für die Sektion
Lycopersicon und den im Topf nebenan gereiften Vertretern ihrer Art, der überlegt nicht lange.
Die verwachsenen Italiener namens
Casalino wurden hier schon zu Salat verarbeitet, vor allem aber zu einer stundenlang eingeköchelten Pasta-Sauce mit frischem Basilikum, Weißwein und etwas Knoblauch. Vielleicht die beste, die ich seit langem gegessen habe.
Der Stoff wird allerdings, obwohl zweifellos preiswürdig, nie einen Pokal gewinnen - da bin ich zu sehr darauf bedacht, dass nicht ein Löffel davon diese Wohnung verlässt.
Während die Ernte sich noch bis in den Oktober hinziehen wird, laufen hier schon die Planungen für die Plantage des kommenden Jahres. Aus dem Sommerurlaub in Italien haben wir, neben neuem Saatgut für die
Casalino, noch die Kerne von zwei weiteren Sorten mitgebracht. Erstens: eine Vesuv-Tomate, die angeblich nur noch an den Hängen des namensgebenden Vulkans über Neapel kultiviert wird. Möglicherweise handelt es sich dabei um die anderswo als
Piennolo bezeichnete Sorte, das ließ sich aber beim Einkauf auf dem Bauernmarkt von Velletri nicht überprüfen. Wo diese Tomate herkommt, wird sie ohne künstliche Bewässerung gezogen - das wird sich hier auf dem Balkon kaum realisieren lassen. Überhaupt gibt es begründete Zweifel, dass ich von den Vesuv-Tomaten im Eigenanbau - pflaumengroß, in dicken
Trauben wachsend, herz- oder tropfenförmig, eher dickschalig - je etwas ernten werde.
Hier gibt es jedenfalls den Bericht eines ambitionierten Heimanbauers, der damit schon mal gescheitert ist. Was mich allerdings nicht im mindesten in der Absicht beirrt, es trotzdem zu versuchen.
Saatgut-Mitbringsel, zweitens: Tomaten der Sorte Pachino. Ihren Namen hat diese Spielart vom jenem sizilianischen Ort, in deren Nähe sie angebaut wird. Pachino-Tomaten sind typischerweise kirschgroß, unter dem gleichen Namen tauchen aber auch etwas größere Früchte mit ovalem Umriss auf den Märkten auf - mit welchem Recht, entzieht sich meiner Kenntnis. Rund um Rom kann man in der Saison überall Pizza „pachino e bufala“ essen - belegt mit den kräftig schmeckenden Tomaten und säuerlicher Büffel-Mozzarella. Wir werden sehen, ob sich dieses durchaus eindrucksvolle Aromen-Schauspiel hier nachinszenieren lässt.
Das ist also der Plan. Drei importierte italienische Sorten werden hier nächstes Frühjahr in die Pflanzkübel gesetzt, dazu noch die gelbe und die violette Pflaumentomate. Fünf Varietäten. Platz ist für sechzehn Pflanzen, vier pro Topf.
Wobei „Platz“ hier auch nicht die richtige Vokabel ist. Meine Balkontomaten wachsen unter größtmöglicher Missachtung aller Regeln zu Pflanzabstand und Bodentiefe. Jede einzelne Frucht ist, so gesehen, eine leuchtende Beleidigung des Gärtnerhandwerks. Das macht Freude.
Bevor ich einigen gelben und lila Tomaten die Kerne entnehme, um sie als Saatgut einzulagern - auch bei Wicken und Rittersporn steht die Samenernte an -, suche ich Verwendung für das Fenchelkraut. Die grünen Samen in den zahlreichen Dolden duften wie Kinder-Hustensirup, wenn man sie zwischen den Fingern zerdrückt. Man müsste sie gut in einem Risotto verwenden oder in einem Fladenbrot verbacken können. Die beste Idee scheint aber, einen Schnaps damit anzusetzen. Eine Laborflasche wird mit den Fenchel-Dolden vollgestopft und mit Primasprit aufgefüllt. Noch etwas Rohrzucker dazu, dann auf den Küchenschrank damit. Der Ansatz kann getrost bis Weihnachten vor sich hin ziehen. Ein erster Unterpunkt des Festmenüs steht also hiermit bereits fest.