Nils Holger Moormann ist, sagt er selbst, ein „Extremleser“. Außerdem ist er studierter Jurist, ungelernter Designer, Herbergsvater, Gemeinderatsmitglied, Denkanstifter und Spielkalb. Als seinen Hauptberuf nennt er „Möbelmacher“. Wobei das richtigerweise „Möbelmagnat“ heißen müsste, korrigiert sich Moormann rasch. Wir bauen Kamera und Leuchten auf, und Moormann lässt uns für einen Moment allein. Er gehe jetzt Geld zählen, sagt er.
Der Firmenpatriarch, der sein Unternehmen als Ein-Mann-Betrieb startete,
sieht ein bisschen aus wie John Cleese. In der Tat ist er ein Mensch, der sich selbst nicht übertrieben ernst zu nehmen scheint. Gern verwirrt er auch den Gesprächspartner mit Bemerkungen, bei denen nicht gleich klar ist, ob er nun beißen will oder bloß spielen. Was nicht heißen soll, ihm wäre nichts wirklich wichtig. Seine Möbel, hält er fest, sollen den Prinzipien „Einfachheit, Intelligenz und Innovation“ genügen. Es sind dabei keine Objekte, die ganz hinter ihren Zweck zurück treten. Wer Regale mit dem Namen „Egal“ oder „Buchstapler“ im Programm hat, Tische „Liesmichl“ oder „Abgemahnt“ nennt, der will schon einen selbstbewussten Spielwitz aufs Feld tragen.
Der Firmensitz in einem prachtvollen historischen Gebäude unterhalb von Schloss Hohenaschau verblüfft durch die in allen Fluren herrschende Ideendichte.
Das beginnt im Treppenhaus mit einer Fotowand aus identisch gestalteten Porträts von Designer-Kollegen. Wer bei Moormann zu Gast ist und einen Namen hat, der wird wie ein Schwerverbrecher zum
mugshot vor die Größentabelle gebeten, samt Plastik-Namensschild mit Steckbuchstaben.
Im ersten Stockwerk findet der Besucher ein Stück Mauer mit den Designpreisen, die sich so angesammelt haben. Die Fläche ist, reine Koketterie natürlich, eher klein gehalten. Die inzwischen gut hundert Preise wuchern zwangsläufig bis zur Decke, breiten sich aus bis zur gegenüberliegenden Wand und wachsen dort kopfüber wieder hinunter.
Auf den Regalen gegenüber dem Büro der Designer - „d ‘Gspinnertn“, heißt es am Eingang - steht ein runder Stempelhalter. Darin hängen Stempel mit den Aufschriften „viel leicht“, „leicht fertig“,„leichtfüßig“, „Leichtathlet“ oder „Leichtigkeit des Seins“.
Moormanns Erläuterung: „Die haben wir uns vor langer Zeit mal angeschafft, um damit Unsinn zu machen.“
Moormann hat sich in der Vergangenheit einige Geplänkel mit einem schwedischen Möbelriesen geliefert, auf die er durchaus mit Vergnügen zurückschaut. Er blieb nämlich Sieger. Was beweist, dass der Möbelmacher, wenn nötig, auch ungemütlich werden kann. Dann etwa, wenn sich jemand ungefragt an seinen Ideen bedient. Seit der Episode mit dem blau-gelben Giganten sieht er sich und seine Produkte stolz als „elk resistant“. Die Firma ist voll mit Objekten, Comics und anderen Anspielungen auf Elche. Wer mag, kann selbst in der Garderobe „Almerer“ das Zitat einer Geweihform erkennen.
Anlass für unseren Dreh bei Nils Holger Moormann war ein anderes Möbelstück - der „Bookinist“. Ein Lesesessel, der als Kreuzung zwischen Sitzmöbel, Regal und Schubkarre daherkommt. Eigentlich hatte Moormann das merkwürdige Möbel nur zum Privatvergnügen entworfen. Als Einzelstück, als Design-Gag. Der mit einem Rückenleiden geschlagene Extremleser
brauchte eine Sitzgelegenheit, um sich entspannt seinen Büchern widmen zu können. Als es dann zur Möbel-Messe
Salone Internazionale del Mobile nach Mailand ging, fehlte am Messestand ein Sitz für den Chef. Nichts lag näher, als die beiden bereits vorhandenen „Bookinisten“ nach Italien zu schaffen. Dort allerdings stahlen sie den übrigen Möbeln komplett die Show. Moormann musste, was er nie wollte, den seltsamen Lesesessel zum Serienprodukt machen. Eilig wurde kalkuliert, konstruiert, finanziert. „Wir haben uns aber entschlossen, den Bookinisten streng zu limitieren“, sagt der Möbelmacher todernst. „Und zwar auf 226.000 Stück“. Immerhin, etwa 200 sind bereits verkauft.
Seitdem führt der „Bookinist“ ein gewisses Eigenleben. Moormann spielt fröhlich mit dem Gedanken, den Sessel zu motorisieren und straßentauglich zu machen. Wie das aussehen könnte, sieht man hier. Und welche Figur der „Bookinist“ im Fernsehen macht, lässt sich am 10. März betrachten. Im MDR, bei „Einfach genial“, in einer Sendung zum Thema „Lesen“. Ohne Elke Heidenreich.