Wenigstens sind genug Tomaten da. Zwei, drei Kilo habe ich gestern von den 16 Pflanzen geerntet, die es tatsächlich alle über den Sommer geschafft haben, ohne umzuknicken oder sich vorzeitig von den Spinnmilben dürr saugen zu lassen. Sogar die späten

Green Zebras zeigen jetzt mit einen leichten Goldton ihre Reife an. Monatserdbeeren gibt es auch, noch einmal eine gute Hand voll. Ein Lichtblick. Hatte sich der alte Botanikerfürst Linné nicht täglich eine Schale davon bringen lassen, um seine Gicht zu lindern? Die Clematis schafft vielleicht eine bescheidene Zweitblüte. Die lila Glockenblume ebenfalls. Der Isländische Mohn hat sich selbst neu ausgesät, bevor er einging. Blühen werden die neuen Pflänzchen aber wohl nicht mehr. Die beiden Artischocken sind über eine flache Blattrosette nicht hinaus gekommen, kein Stängel mit Knospen ist gewachsen.

Jetzt kommt also der Herbst auf den Balkon.

Das Geranium hat weinrote Ränder an den Blättern, und das Laub des Kirschbaums wird spröde und rollt sich ein. Wenn unten an den Straßen das gelbe Leinkraut blüht, fängt man schon an, das Jahr herunterzuzählen. Nein, jetzt bitte nicht Rilke.

Gibt es eigentlich Gedichte über Tomaten? Seelentröstende, sonnenstrahlende Poeme über die Berner Rose? Texte mit froher Botschaft, in denen man nicht ständig an das beklagenswert Offensichtliche erinnert wird. Zum Beispiel, dass der Wind jetzt kühler weht. Das merke ich schon selbst, vielen Dank.

Es bessert die Laune dann auch nicht, wenn man, wie nach dem Drehtag heute in Bochum, schlechten Kaffee trinken muss. In der an sich viel versprechenden Coffee-Bar gegenüber dem Hauptbahnhof soll man an der Theke bestellen und bezahlen, damit einem ein livrierter Kellner das Getränk an den Platz bringt. Unentschiedenes Konzept. Mondpreise für den Latte Macchiato. Der dann - Surprise! Surprise! - in einem Pappbecher auf den Tisch kommt. Mit einem Plastik-Rührlöffel. Ich bin völlig entgeistert und darf erfahren, dass nur für den mittleren Macchiato passende Porzellan-Gefäße verfügbar seien, für den großen aber nicht. Der begleitende krümelige und stocktrockene Keks soll ein Cookie sein, hat diesen Ehrentitel aber auch nicht verdient. Armes Bochum. Immer Herbst.