Rost brennt
Rost brennt
Samstag, 21. Juni 2008
Warum tun wir das eigentlich? Wir rüsten unsere Küchen mit Dampfgarern, Umluftöfen und waschmaschinengroßen Espressoautomaten zu Hightech-Lebensmittellaboren hoch. An jedem beliebigen Sommerabend aber schalten wir um. Dann wird nämlich gegrillt. Alle zivilisatorischen Errungenschaften gelten nun nichts. Und wer sich sonst mit einem digitalen Bratenthermometer um die optimale Temperaturführung beim Schmoren einer Neuland-Haxe sorgt, der lässt jetzt minderwertiges mariniertes Fleisch heiter auf dem Rost verkohlen.
Sicher, das Grillen an sich gilt als potentiell schonende und schnelle Zubereitungsmethode. Es schafft eine schöne Kruste, lässt reichlich Röststoffe entstehen und kommt mit wenig Fett aus. Schöne Theorie, schnöde Praxis. Wo man in der Einbauküche plant und steuert, lässt man am Holzkohlenrost Zufall und Willkür gewähren. Erst will die Kohle partout nicht brennen, dann entwickelt sie eine Hitze wie ein Hochofen. Grillgut fällt auf die Glut, der Rauch verstimmt die Nachbarn, das Bier ist warm, irgendwann kommen die Mücken. Der erste Durchgang Grillwürstchen ist aufgeplatzt und schwarz, der zweite bleibt totenbleich, weil die Kohle schon wieder ausgeglüht ist. Es wird, wie immer, ein wunderschöner Abend.
Und trotzdem - der archaische Kampf mit den Flammen, das ganze Konzept der Speisenzubereitung in der Wildnis und schließlich das anders nicht herstellbare Raucharoma, das alles lässt uns eben nicht los. Der Drang zum Grillen muss in uns genetisch verankert sein. Auch der Mann vom Balkon fühlt sich am Grill wie Häuptling und Medizinmann zugleich. Und versucht, dem Rost ein wenig mehr abzuringen als nur Würstchen und Bauchfleisch.
Es geht so. Das Grundrezept ist eine Art universaler Focaccia- oder Pizza-Hefeteig. Dazu gehören 200 g Mehl und 10 g Hefe. Das Mehl kommt mit einem halben Teelöffel Salz in eine Schüssel, dazu gebe ich drei Esslöffel Olivenöl. Die Hefe wird in einen Becher mit etwa 50 ml handwarmem Wasser gebröckelt. Dazu rühre ich einen Teelöffel Akazienhonig, damit die Hefe was zu Futtern kriegt. Wenn die Hefemischung eine Schaumschicht hat wie die Crema auf einer Tasse Espresso, wird sie in den Teig gekippt und untergeknetet. Die Veredelung dieser Basismischung geschieht nun nach Geschmack. Eine Handvoll gehackter Kräuter - nur nicht zu sparsam sein! -, etwas Knoblauch, Walnusssplitter, alles möglich. Kräftig durchkneten. Falls der Teig zu sehr klebt, wird noch etwas Mehl nachgeschüttet, falls er zu trocken scheint, kommt Wasser - immer lauwarm! - dazu. Dann ruhen lassen, bis sich das Teigvolumen mindestens verdoppelt hat.
Falls sich mehr Gäste angesagt haben, werden die Mengen der Zutaten angemessen vervielfacht. Auf 400 Gramm Mehl kommen dann 20 Gramm Hefe und sechs Esslöffel Öl. Und so weiter.
Dann kommt das Ganze auf den Grill. Vorher allerdings wird die Folie noch einmal angelupft, weil die Fladen mit Olivenöl bepinselt werden müssen.
Nun sind Geduld und Aufmerksamkeit gefragt. Es dauert eine Weile, bis sich unter der Folienhülle die rechte Backhitze einstellt und den Teig zum Steigen bringt. Gleichzeitig darf aber nichts anbrennen. Immer mal nachschauen, und wenn sich auch auf der Oberseite der Fladen langsam eine Kruste bildet, kann man die Teigstücke wenden. Es ist verlockend, sie dann ungeschützt auf den Rost zu legen, um die Garung zu beschleunigen - aber gerade dann bildet sich oft in Sekundenschnelle eine Kohleschicht. Der Mann am Rost muss sich zur Zurückhaltung zwingen.
Nach gut zwanzig Minuten sollten die Brote dann aber bereit sein. Kinder lieben das Zeug. Und der Grillmeister darf sich feiern lassen.
Lachsforelle aus dem Seddinsee. Mittags geholt, abends gegrillt.