Der Läufer
Der Läufer
Dienstag, 10. Juni 2008
Bis zum Sommer muss der Mann vom Balkon noch ein paar Kilometer machen. Das Ziel darf nicht aus den Augen geraten - im Österreich-Urlaub ist eine Umrundung des Achensees geplant. Das sind, glaubt man den Ausschilderungen, gut 22 Kilometer. Etwas mehr als ein Halbmarathon. Mit einigen Schikanen. Es geht über asphaltierte Uferwege, aber auch über schmale Kraxelpfade hoch über dem See, dann wieder durch steinige Bachbetten und über weiche Waldwege. Dabei gibt es stets tröstende Gewissheiten - wenn der Mann vom Balkon nicht mehr weiter mag, kann er immer ein Schiff nehmen und zum Parkplatz zurückfahren. Gegen den Durst rauschen überall Bäche, und selbst dem See wird immer wieder Trinkwasserqualität attestiert.
Also geht es alle Tage auf ein paar Runden in den Schlosspark. Entweder morgens, wenn es unter den Bäumen noch kühl ist. Oder spät abends, wenn man zwar der Staub wie ein Vorhang über den Wegen hängt, aber die Sonne nicht mehr sticht. Die selbst auferlegte Regel für die Laufstrecke geht so: Monatszahl plus Eins. Im Juni also sechs Runden und mindestens eine weitere. Im März habe ich mal mit drei Runden begonnen und fand das damals anspruchsvoll. Jetzt sind es sieben Durchgänge. Ende des Monats sollen probeweise mal zehn gelaufen werden, im Juli dann auch mal fünfzehn. Das entspräche, über den Daumen gepeilt, etwa der Achensee-Distanz. Nur ohne Berge.
Der Mann vom Balkon ist nicht der einzige, der sich im Park bewegt. Ein paar Gleichgesinnte sind unterwegs. Wer ein gewisses Mindesttempo an den Tag legt und außerdem mit einem angemessen funktionalen Dress seine Ernsthaftigkeit unter Beweis stellt, der kommt in den Genuss eines lässigen Grußes: Kurzes Hochklappen einer Hand oder auch nur eines Fingers. Gemeinsam kann man auf die armen Gestalten herunterschauen, die sich mit einer schlabbrigen Trainingshose oder einem karierten Freizeit-Baumwollhemd über die Strecke schleppen. Dann gibt es natürlich noch die Nordic Walker. Urteilt man nach der Duftwolke, die sie meist umgibt, dann ist Walking vermutlich der einzige Sport, bei dem man sich bereits vorher duscht. Walker führen außer ihren Krücken immer auch einen Trinkwasservorrat mit sich - im modischen Gürteltäschchen. Wie jemand bei dieser schneckenhaften Bewegungsintensität an den Rand der Dehydrierung gelangen kann, ist anderen allerdings ein Rätsel. Mehr über den „Illusionssport“ Nordic Walking steht natürlich hier bei Achim Achilles.
Noch sind es zwei Monate, bis das Achensee-Laufprojekt in Angriff genommen werden kann. Der Mann vom Balkon ist guter Dinge. Momentan keine Proteste vom rechten Knie, kein Muskelkater, keine Blasen an den Zehen. Nur der Nacken ist immer noch ein bisschen blockiert - seit einigen ungestümen Schwimmzügen im Stechlinsee am Sonntag. Aber solange man noch geradeaus laufen kann, werden weiter Kilometer gesammelt. Walken kann ich auch noch, wenn ich Rentner bin.
Achensee bei Maurach.