Mispeln sind alle
Mispeln sind alle
Freitag, 23. November 2007
Der Park, dessen Baumwipfel wir vom Balkon aus sehen können, hat einen mehrhundertjährigen Baumbestand, drei Brücken über die Panke - eine grüne, eine blaue und eine rote - sowie an seinem Westrand Honeckers bröckliges Gästehaus. Das Schloss Schönhausen. Regelmäßig irren Touristen über die Wege und suchen danach. Alle übersehen es. Dem zurzeit in Sanierung befindlichen Barockbau - Fassade und Dach sind schon fertig, auch die meisten Fenster sind neu - mangelt es ganz offenbar an majestätischer Pracht. Bundespräsident Rau hatte das Schloss vor Jahren als Ausweichquartier im Auge, wahrscheinlich war ihm das Gebäude dann aber zu poplig. Nach offizieller Lesart hätte die Sanierung zu viel gekostet.
Der Park also. In der alten Lennéschen Anlage, deren Plan nur noch ansatzweise zu erkennen ist, wachsen wuchtige Eichen, Kastanien und Buchen, aber auch ein paar Exoten. Darunter in der Nähe der Schlosseinfahrt einige Bäume mit walnussähnlichen Früchten, über deren botanische Zuordnung ich jedes Mal rätseln muss. Vielleicht Hickory-Bäume? Und es gibt eine Mispel. Einen einzelnen Baum, kaum mehr als sechs Meter hoch, der sich schon kurz über dem Boden verzweigt und sich damit bestens zum Klettern eignet. Jeden Spätherbst trägt der Baum Früchte, die kleinen Äpfeln mit auffällig großem Blütenansatz ähneln. Kein Vergleich allerdings zu den sattgelben, reifen Exemplaren, die es mitunter im Obsthandel gibt. In Baden, wo der typische Winzer ohnehin alles bedenkenlos zu Schnaps brennt, was ihm über den Weg wächst, habe ich auch einmal Obstbrand aus Mispeln gekostet, fand aber keine wirkliche Eigenart.
In diesem Jahr wollte ich mir einige von den Früchten aus dem Park sichern, hatte den ersten Frost schon abgewartet und kam doch zu spät - möglicherweise gibt es weitere Eingeweihte unter den Anrainern des Parks, die sich schon bedient hatten. Gerade acht Mispeln hingen noch im Gezweig. Nach einem Gruppenfoto auf der Balkonbank wurden sie verarbeitet.
Um es gleich zu sagen, Mespilus germanica gibt nur eine bescheidene Ausbeute an Fruchtfleisch her. Aus den acht Früchten wurden etwa hundert Milliliter Saft, das reichte für ein halbes Glas Gelee. Ich wollte ja ohnehin nur vorsichtig kosten und nicht etwa auf einem Wintervorrat ungenießbaren Fruchtaufstrichs sitzen bleiben, den man höchstens an ungeliebte Verwandte verschenken konnte (Rhabarbergelee, irgendjemand?). Was herauskam, besaß eine ernüchternde Ähnlichkeit mit gewöhnlichem Apfelgelee, nur schmeckte es weniger delikat, woran auch die Spur Vanille nichts ändern konnte, die ich der Saft-Zucker-Mischung zugestanden hatte.
Beim Frühstückstest auf dem Hefebrötchen samt Buttergrundlage änderte sich am ersten Eindruck nichts. Man kann sagen, dem Mispelgelee fehlt es an Alleinstellungsmerkmalen gegenüber dem vergleichbaren Apfelprodukt. Das ging mir mit dem Quittenstrudel, den ich nachmittags gebacken habe, zum Glück nicht so. Aber zu Quitten ist in diesem Jahr genug gesagt, das heißt - ein Kapitel gibt es wohl noch, wenn zu Weihnachten der letzte Woche angesetze Quittenschnaps verkostet wird.
Der klägliche Rest. Gruppenbild mit den letzen Mispeln des Schlossparks.